Die Sonne brütet über der Wüste. Ich steige aus dem Auto und betrete den sandigen Boden. Ein
beständiger Wind weht, doch er lindert die Hitze kaum. Die Luft duftet nach Salbei und erfrischt
mich. Ich nehme eine kleine Wanderung auf, durch Salbeigebüsch und hohes trockenes Gras. Um
mich herum sieht die Landschaft überall fast gleich aus, eine endlose Weite, die mich in Frieden
und Staunen versetzt. Ich bin froh, dass es noch so unberührte Natur gibt. Dieser Ort ist voller
Ruhe, verlassen und doch lebendig.
Vor mir tut sich eine Senke auf, ein kleines Tal inmitten der berglosen Steppenlandschaft. Ich
steige vorsichtig hinunter. Und da sehe ich sie, eine fünfköpfige Familie wilder Mustangs.
Seit ich klein bin, hatte ich mich mit Pferden und Reiten beschäftigt und dabei doch eigentlich die
Seele der Pferde bewundert und gesucht. Ich hatte mir vorgestellt wie die Wildpferde wohl leben,
davon geträumt eines Tages ihre Welt kennenlernen zu dürfen. Monatelang plante ich diese Reise,
fand zu den Gebieten der Wildpferde des Wilden Westens und doch war ich mir nicht sicher sie zu
finden. Dieser Moment war überwältigend, faszinierend und beinahe unwirklich.
Ein kräftiger rotbrauner Hengst sieht mich in dem Moment, in dem ich die Senke betrete. Er spitzt
seine Ohren und trabt in einer Eleganz und Aufmerksamkeit auf mich zu, die ihm eine
Ausstrahlung verleiht, die ich bei keinem Pferd zuvor je zu sehen vermocht habe. Er hält an, seine
Präsenz ist so stark, dass ich das Gefühl habe, die Zeit bleibt stehen. Ich spüre er weiß was er tut,
er ist jederzeit bereit die Situation einzuschätzen, zu handeln und seine Familie zu beschützen.
Dieser Hengst ist ein Tier, welches um seine Kraft weiß und weise ist sie richtig einzusetzen. Diese
Fähigkeiten haben ihm ermöglicht mit seiner Stute und drei Nachkommen zusammen zu leben,
sich vor den Gefahren der Wildnis zu schützen, sich zurechtzufinden mit der Trockenheit des
Sommers, den ausgetrockneten Flussbetten, den starken Sommergewittern, den strengen
schneereichen Wintern, den Klapperschlangen und Berglöwen und den jungen Hengsten auf der
Suche nach ihrer eigenen Familie.
Der Hengst schaut mich mit freundlichen Augen an. Ich habe Respekt vor ihm, bleibe stehen,
halte Abstand. Muskeln spielen unter seinem glänzenden Fell, welches auch Narben von Kämpfen
zeigt. In seinen Augen leuchtet Sanftheit und Leben. Er geht zurück zu seiner Familie, es ist okay
für ihn, dass ich mich in diesem Abstand zu ihnen aufhalte.
Ich setze mich hin und genieße den Anblick der ersten Wildpferde, die ich je gesehen habe. Die
Ausstrahlung der Pferde fasziniert mich, sie sprühen voller Leben. Ich bin nicht sehr nah an den
Pferden, doch mit der Zeit sehe ich wie sozial sind. Ich beginne zu verstehen, dass sie eine echte
Familiengemeinschaft haben. Sie sind rücksichtsvoll, spielen miteinander, ruhen sich gemeinsam
aus, bewegen sich gemeinsam weiter und verbringen viel Zeit damit einfach einander nah zu sein.
Es berührt mich sehr, die Pferde haben alle ihre persönlichen Aufgaben und sie vertrauen
gegenseitig auf ihre Fähigkeiten. Ich denke an die Hauspferde, die selbst in bereits naturnahen
Haltungsformen viel weniger soziale Struktur und Gemeinschaft aufbauen. Hier finden Pferde
zueinander, die zusammenpassen, die Natur und der Wille jedes einzelnen Pferdes führen
Gruppen zusammen und trennen sie. Es bilden sich Gemeinschaften, in denen sich geliebt und
füreinander gesorgt wird.
Ich denke daran wie viel leerer die Ausstrahlung von Hauspferden ist.
Und ich hoffe es finden sich mehr Möglichkeiten auch die Augen unserer Pferde wieder in
Lebensfreude erleuchten zu lassen.
Die erste Sache, die ich von den Wildpferden gelernt habe, ist ihre enge soziale Struktur, ihr
familiäres Gemeinschaftsgefühl, ihre gegenseitige Fürsorge.
Und ihr Bewusstsein um ihre Kraft, ihren weisen Einsatz dieser und ihre Lebensfreude.
Diese Familie lebt im Süden Wyomings, ich sah sie im Juni, habe sie noch mehrere Tage
beobachtet, bis ich ihre Spur verlor und sie eine Woche später beim Herausfahren aus dem
Gebiet wiedersah.
Das Video (fehlt noch) ist von der beschriebenen ersten Begegnung, das Bild von dem späteren Wiedersehen,
als der Hengst mich schon etwas kannte und ich näher an die Familie herangehen konnte.
Den Zaun auf dem Foto entdeckt? Dazu gibt es demnächst einen weiteren Bericht
facebook „Kristina Becker“ / Instagram „kristina.bcr“
URSEL Mazkouri
4 Aug 2020Danke für Dein beschriebenes Erlebnis .Ich kann es mir so gut vorstellen und freue mich ,dass Du es erleben konntest. In Deinen Worten spüre ich soviel Achtung und Liebe.schön es zu lesen .
Gibt es mehr davon zu lesen ?
Ich wünsche Dir Gesundheit und Kraft und weitere schöne Momente und Herausforderungen in Deinem Leben !
Herzliche Grüße sendet Ulla
Kristina Becker
10 Aug 2020Hallo Ulla, ich freue mich über Deinen schönen Kommentar 🙂
Es ist der erste und bislang einzige Text, den ich über die Besuche bei den Wildpferden geschrieben habe.
Vielen Dank, ich wünsche Dir ebenso all das im Leben!
Liebe Grüße
Kristina